Unter Fachleuten hat das slowenische Gebiet rund um die Julischen Alpen längst den Ruf, eine Modellregion für nachhaltigen Tourismus zu sein – ein mustergültiges ÖV-Angebot inklusive. Das Gebiet ist aber auch ganz einfach eine perfekte Kulisse für ÖV-Fotografie…

Bahnfans ist sie natürlich ein Begriff: Die sogenannte «Wocheinerbahn», welche als Teil einer früheren österreichischen Hauptachse seit 1906 Jesenice in Slowenien mit Trieste in Italien verbindet. Dass die Bahnlinie ihren deutschen Namen von einer Talschaft hat, welche die Bahn nur auf rund 20 Kilometern durchfährt – und nicht etwa vom weit längeren Tal der Soča – ist hingegen eher in die Kategorie «Fun Fact» einzuordnen: Willkommen in Bohinj – zu Deutsch eben: Wochein.

Die Wocheiner Bahn, 1906 von hoher strategischer Bedeutung für Österreich als rascher Zugang zum Mittelmeer, ist heute eine Nebenstrecke mit weniger als zehn Zugpaaren pro Tag. Die zunehmende «Stadlerisierung» der slowenischen Eisenbahn hat das Tal noch nicht erreicht. Bis auf einzelne Zugpaare werden die modernisierten Fiat-Triebzüge 813/814 auf den Zügen zwischen Jesenice und Nova Gorica eingesetzt. Bei Bohinjska Bela, dem kleinen Dorf am Eingang des Tals, ist eine solche Einheit taleinwärts unterwegs als abendlicher «Eilzug» RG 601.

Das Tal Bohinj, gleichzeitig eine Gemeinde, ist zusammen mit dem Soča-Tal auf der Südseite des Scheiteltunnels Teil des Triglav-Nationalparks rund um den höchsten Gipfel des kleinen Alpenlandes, was für grosse Touristenströme sorgt. Fast in jedem Gebäude ist auch eine Ferienwohnung eingebaut, grosse Campingplätze säumen die Dorfränder, und an schönen Sommertagen stauen sich die Autos auf den Strassen ab Ljubljana und Bled. Der starke Verkehr führt seit langen Jahren zu Ärger vor Ort, und so war es für die örtliche Gemeinde- und Tourismusverwaltung naheliegend, hier anzusetzen. Auf diese Weise soll ein weiterer Schritt hin zum nachhaltigen Tourismus gemacht werden, den sich die Region «Julische Alpen» zum Ziel gesetzt hat.

Neue Angebote für Touristen…

Das reguläre Bus-Angebot im Tal wird von Arriva betrieben, welche 2015 die in Kranj ansässige Alpetour übernommen hat. Etwa stündlich fahren Busse von Ljubljana über Kranj, Radovljica und Bled nach Bohinjska Bistrica und von dort weiter über Ribčev Laz am Ufer des Wocheiner Sees bis Ukanc. Eine zweite Linie bedient das sogenannte «obere Tal» im Rundkurs Bohinjska Bistrica–Ribčev Laz–Bohinjska Češnjica–Bohinjska Bistrica. Beide Linien werden durch den slowenischen Staat bestellt und subventioniert. An Schultagen wird ausserdem eine Schülerlinie nach Gorjuše am Rande des Pokljuka-Gebietes angeboten, welche durch die Gemeinde bestellt und finanziert wird.

Teil des regulären Angebots von Arriva sind die stündlichen Busse von Ljubljana zum Wocheiner See und weiter nach Ukanc. In der Saison kann es wegen des Billettverkaufs und der Verkehrsüberlastung rund um Bled zu erheblichen Verspätungen kommen. Trotzdem sind die Busse als Grundangebot auf der Hauptachse vom Hauptort Bohinjska Bistrica zum See unverzichtbar und können mit der Gästekarte kostenlos genutzt werden. Zum Einsatz kommen meist Hochflurbusse – bei angemeldeten Rollstuhlfahrern wird aber auch mal ein LE-Fahrzeug wie dieser Setra S 418 LE business disponiert. Der Bus ist hier am See unterwegs von Ribčev Laz nach Ukanc.
Auch der Rundkurs durch das sogenannte «obere Tal» gehört zum Linienangebot von Arriva. Für den Schulbus nach Gorjuše und einige Umläufe des Rundkurses steht aktuell ein verkürzter Mercedes-Benz Intouro zur Verfügung, der 2023 im Rahmen der bisher grössten Überlandbus-Beschaffung in Slowenien seit der Wende angekauft wurde. Der Bus ist im Bild unterwegs zwischen Srednia Vas («Mitteldorf») und Bohinjska Češnjica; links im Bild eines der typischen Gestelle zur Heutrocknung und Holzlagerung, die vor allem das ursprünglichere obere Tal prägen.

Im Jahr 2014 wurde erstmals ein eigenständiges Sommer-Angebot durch die Tourismusregion eingeführt: Die Hop-On-Hop-Off-Linie ins Pokljuka-Gebiet erschloss dieses Hochland, bisher nur an Schultagen mit dem Linienbus erreichbar, für unmotorisierte Feriengäste (und ermöglichte den Gästen mit Privatauto auch lineare Wanderungen). Bis 2017 wurde der Bus als klassisches kostenpflichtiges Angebot geführt, wie auch bestimmte touristische Angebote von Arriva.

…und ein neues Tarifmodell.

Einen Schritt weiter ging man 2018: Im Rahmen eines gesamtheitlichen Mobilitätskonzepts wurden erstmals kostenlose Buslinien angeboten, während Parkplätze zunehmend aktiv bewirtschaftet wurden. Ein Halbstundentakt zwischen Bohinjska Bistrica und dem See wurde durch eine neue Buslinie mit Kleinbussen ab Srednja Vas zur Alpsiedlung Blato im 90-Minuten-Takt ergänzt. Ein zusätzlicher Kurzstrecken-Shuttle verband den grossen Parkplatz beim Hotel Kristal mit dem See und sollte den Parkdruck auf die Strassen rund um den See reduzieren. Der Bus nach Pokljuka wurde ab jetzt ebenfalls gratis angeboten; die Fahrten zum Savica-Wasserfall hingegen sind – mit Ausnahme eines Versuchs im 2020 – weiterhin ein reguläres Arriva-Angebot mit Linientarif.
Das Gratis-Angebot wurde fortan jährlich ausgebaut; die bereits 2003 eingeführte «Julian Alps Card», eine Gästekarte mit ÖV-Einbezug, ermöglicht es zudem, gegen einen sehr fairen Preis auch die regulären Buslinien im Gebiet kostenlos nutzen zu können.
Zusätzlich zur Hauptachse Bistrica–Wocheiner See wurden in den folgenden Jahren zusätzliche Angebote eingeführt; 2019 entlang des Sees bis Ukanc und zur Passhöhe Soriska Planina; 2020 durch das Obere Tal (gleichzeitig wurde auch der Pokljuka-Bus neu geführt) und als Rufbus ins Voje-Tal; 2021 nach nach Vogar. Ebenfalls 2021 wurden die Verbindungen zur Kreuzung Vogar/Blato, die ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen ist, massiv ausgebaut und die Benutzungsgebühr für die Bergstrassen in dieses Gebiet erhöht. Seit 2022 fährt auf Voranmeldung der Van für die Linien ins Voje-Tal und nach Vogar auch nach Uskovnica und seit 2023 ist die Kreuzung Vogar/Blato direkt an den Bahnhof Bohinjska Bistrica angebunden.

Die Verbindung zur Kreuzung Vogar/Blato hat sich zu einer der wichtigsten Linien entwickelt. Die hohe Nutzungsgebühr für die schmale Bergstrasse in Kombination mit den vielen interessanten Wanderungen führt dazu, dass das gute Dutzend Kurspaare auf der Linie stark ausgelastet sind und gelegentlich sogar Reisende zurückbleiben müssen. Auf den direkten Kursen nach Bohinjska Bistrica (Linie 3) wurde im Sommer 2023 anstelle des früheren Kleinbusses sogar ein Otokar Navigo T eingesetzt. Das Fahrzeug des türkischen Herstellers bietet eine maximale Anzahl an Sitzplätze bei guter Wendigkeit. Der Bus wird bereits seit mehreren Jahren von der Firma Majk d.o.o. aus Kranj in Bohinj eingesetzt, 2023 im Unterauftrag für die Firma Luka PGT. In den ersten Jahren des Gratis-Systems kam das Fahrzeug auch auf den Tallinien zum Einsatz – als einziges im Sommer 2023 regelmässig eingesetztes Fahrzeug trägt der Bus eine spezifische Bemalung für Bohinj.

Damit dürfte das Netz wohl die maximale Ausdehnung erreicht haben; es gibt kaum noch weitere Strassenabschnitte, die für Busse befahrbar sind, und das System droht Opfer seines eigenen Erfolgs zu werden.

Dringend gesucht: Busse und Personal

Denn die Organisation der Angebote führt bei den zuständigen Behörden zunehmend zu Sorgenfalten. Einerseits ist es aufgrund des Angebotsumfangs notwendig, die Leistungen jährlich auszuschreiben, was einen erheblichen administrativen Aufwand bedeutet. Andererseits kämpfen die ÖV-Betriebe zunehmend mit Personalmangel und reichen kaum noch Offerten für saisonale Angebote ein. Arriva, Nachfolger der lokal verankerten Alpetour und internationaler ÖV-Konzern mit grosser Erfahrung im Linien- und Gelegenheitsverkehr, konnte zunehmend nur noch einzelne Leistungen übernehmen und hat schliesslich an der Ausschreibung für die Saison 2023 gar nicht mehr teilgenommen. Das Unternehmen kämpft inzwischen damit, genug Personal für die regulären Linien zu gewinnen.

Eine der wichtigsten Shuttle-Linien ist heute die Linie 1/2, welche ab Bohinjska Bistrica zum See fährt. Während die Linie 1 das untere Tal bedient, fährt die seltener angebotene Linie 2 über das obere Tal. Analog zum (während der Schulferien stark ausgedünnten) Rundkurs sind auch die Linien 1 und 2 teilweise durchgebunden; so wird der als Linie 2 vom oberen Tal in Ribčev Laz eintreffende Reisebus des Auftragnehmers Gerčar anschliessend als 1er zurück nach Bohinjska Bistrica fahren. Diese Tallinien wurden bis 2022 meist durch Arriva betrieben. Wegen Personalmangel konnte das Unternehmen für 2023 keine Leistungen mehr offerieren, womit nun Reisebusse aus dem Flachland mitsamt ihren Chauffeuren für einige Wochen in Bohinjska Bistrica beheimatet sind.

Doch auch die kleinen privaten Busunternehmen sind nicht mehr ohne Weiteres bereit, in der lukrativen Reisesaison Personal und Fahrzeuge für öffentliche Leistungen zu stellen. Die Gemeinde und Tourismusorganisation als Bestellerin der Gratis-Busse spüren dies vor allem über den Preis, der jährlich steigt. Inzwischen ist die finanzielle Belastungsgrenze erreicht, und so dürfte die Geschichte der Gratisbusse mit der Saison 2023 zu Ende sein; ab 2024 wird man für die Lokalbusse voraussichtlich wieder bezahlen müssen. Die Tourismusbehörden erhoffen sich dadurch auch mehr Nutzer für die Julian Alps Card, welche weiterhin eine kostenlose Nutzung der Angebote ermöglichen soll. Die Gästekarte konnte sich bisher kaum durchsetzen, wohl auch wegen der sehr kleinteiligen Beherbergungsstruktur mit vielen Privatunterkünften, welche eine aktive Promotion erschweren – und wegen der ohnehin kostenlosen ÖV-Angebote. Ob die Rechnung aufgehen wird, muss sich erst zeigen; wie die Angebotsentwicklung der letzten Jahre ist auch dies ein Experiment, das im stark reglementierten Schweizer ÖV-System kaum noch möglich wäre. Immerhin zeigt die Region damit, dass man auch in einem stark individualisierten Tourismusmodell im Sinne der Nachhaltigkeit Fahrgastströme bündeln und Busse auslasten kann – und wurde dafür mehrfach mit Fachpreisen belohnt.

Titelbild: Eine der «Keimzellen» des heutigen Busangebots in Bohinj ist die Verbindung ins Pokljuka-Gebiet. Die Linie verbindet die Dörfer im unteren und oberen Tal mit dem schönen Hügelland, das rund um eine Kernzone mit Zutrittsverbot schöne Wanderwege bietet. Der hier eingesetzte Bus zieht jeweils einen Veloanhänger mit, der zeitweise gut ausgelastet ist. An diesem durchzogenen Sommertag ist der erste Bus des Tages allerdings wenig besetzt unterwegs, als er den Hauptanstieg bei Jereka erklimmt. Das Fahrzeug ist für das Reisebusunternehmen Gerčar unterwegs, welches die Standardbus-Linien im Sommer 2023 betrieb – es trägt allerdings noch die vollen Farben des vorherigen Besitzers Nomago, dem inzwischen zweitgrössten slowenischen Überland-Bus-Betreiber. Der Einsatz von Reisebussen im slowenischen Linienverkehr ist übrigens durchaus verbreitet – sie werden im Sommer für Saisonlinien an die Adria und in den Alpen genutzt; den Rest des Jahres sind sie im Einsatz für Schülerverkehre und entsprechende Linienverstärker.

Foto: Jonas Schaufelberger

Auch die Schifffahrt auf dem Wocheiner See ist Sache der Tourismusorganisationen; die beiden Schiffe «Triglavska roža» und «Zlatorog» pendeln im Sommer ein- bis zweimal pro Stunde über den See. Beide Schiffe stammen ursprünglich vom Bayrischen Königssee, mit dem eine Partnerschaft besteht, und sind bereits seit Jahren elektrisch unterwegs. Das erstgenannte Schiff wurde 2019 komplett überholt und ist seither in einer einzigartigen Holz-Optik auf dem grössten natürlichen See Sloweniens unterwegs.

…an Urška Smukavec von Turizem Bohinj für die zur Verfügung gestellten Grundlagen und die fachliche Korrektur.