Die Niederlande sind als Nation von Wasserbauern bekannt. Mit den Zuiderzeewerken wurde aus einem berüchtigten Arm der Nordsee ein Binnensee – und das Bahn- und Busnetz rundherum liefert Einblicke in die niederländische ÖV-Welt.

Der Auslöser war eine Sturmflut im Januar 1916. Das nächtliche Hochwasser überflutete weite Flächen entlang der Zuiderzee, so der Name des Meeresarmes, welcher weit hinein in die Niederlande bis zu den Deltas von Ijssel und Eem hineinragte – und erreichte über die Unterläufe dieser Flüsse auch Dörfer bis hin zum wichtigen Handels- und Industriestädtchen Zwolle an der Ijssel. Es war der Startschuss für ein Jahrhundertprojekt, das sogar vom Mond aus zu erkennen ist: Die so genannten Zuiderzeewerke – ein umfassendes Wasserbauprojekt mit Deichen, Poldern und Pumpwerken – welches letzendlich zum Verschwinden der namensgebenden Zuiderzee führte.

Seit der Vollendung des grossen Abschlussdeiches 1932 ist aus dem früheren Meeresarm ein Binnensee, das so genannte Ijsselmeer, geworden. Mit dem Bau von weiteren Deichen und Poldern wurde dieses in der Folge immer weiter verkleinert, zuletzt mit dem «Bau» des südlichen Flevopolders im Jahr 1967, und ausserdem in mehrere kleinere Seen aufgesplittert, die teilweise nur über Schleusen und Kanäle verbunden sind.

Der Flevopolder ist mit 970 Quadratkilometern nicht nur der grösste Polder der Niederlande, sondern gar die grösste künstliche Insel der Welt. Im Gegensatz zum älteren Nordostpolder ist er vollständig von Randmeeren umgeben um den Wasserhaushalt der umgebenden Festlandgebiete nicht zu stören. Nicht nur Brücken führen auf den Polder, sondern auch der wohl kürzeste Unterseetunnel der Welt – die Strasse führt hier unter dem so genannten «Aquaduct Veluwemeer» hindurch, welcher die Randgewässer Veluwemeer und Wolderwijd verbindet und im Gegensatz zu einer klassischen Klapp- oder Drehbrücke einen konstanten Verkehrsfluss auf dem Wasser wie auf der Strasse ermöglicht. Nicht weniger als vier Buslinien der OV Regio Ijsselmond nutzen die Strassenverbindung von Flevoland nach Harderwijk auf dem Festland – im Bild ein Bus der Linie 159, welche Almere als grösste Stadt Flevolands über Zeewolde mit Harderwijk verbindet.

Rund um das gezähmte Wasser, und dank Poldern sogar auf dessen früherem Grund, wurden immer mehr Flächen trockengelegt –  zuerst hauptsächlich für die Landwirtschaft, später immer häufiger auch als Bauland für die stark wachsende Bevölkerung des kleinen Küstenlandes. Diese Landstriche mussten natürlich auch versorgt und verbunden werden: Wurden auf den ersten Poldern noch kleine Dörfer angelegt, welche in optimaler Velo-Distanz zueinander lagen, nehmen heute Strasse und Schienenverkehr eine zunehmend wichtige Rolle für die Erschliessung des dicht besiedelten Landes rund um die frühere Zuiderzee wahr.

Auf dem nördlichen Flevopolder dominieren weite Landwirtschaftsflächen – die Versorgung der wachsenden Bevölkerung der Niederlande war denn auch der Hauptzweck des Polderbaus in den 1960er-Jahren. Später mangelte es dem kleinen Küstenstaat auch an Bauland – und immer mehr an Energie. Heute werden auf ganz Flevoland unzählige Gigawattstunden Strom mittels Windkraft produziert, wie hier bei Swifterbant an der kurzen Linie 145 (Swifterbant – Lelystad). Unweit des Busses führt die 2012 eröffnete Hanzelijn vorbei, welche den früheren Bahn-Endpunkt Lelystad mit Zwolle und dem Norden der Niederlande verbindet.

Der Aufbau des Schienennetzes

Das niederländische Schienennetz ist vergleichsweise aufgebaut. Die wichtigsten Bahnstrecken rund um das Ijsselmeer waren zur Zeit der Erreichtung des Abschlussdeiches längst gebaut. Bereits in den 1860er-Jahren bestand ein Eisenbahn-Halbring von Den Helder über Amsterdam, Utrecht, Zwolle und Leeuwarden bis Harlingen, bis in die 1880er-Jahre ergänzt von verschiedenen Stichstrecken, welche noch näher ans und dank Fährverbindungen teilweise auch über das Meer führten. Da es sich um Hauptstrecken handelt, wurden mit Ausnahme der Strecke Leeuwarden–Harlingen alle Linien des Rings zwischen 1931 und 1958 elektrifiziert; einige Nebenlinien folgten später auch noch, etwa diejenige zwischen Zwolle und Kampen im Jahr 2017.

Die sogenannten nördlichen Nebenlinien sind nach wie vor ein reines Dieselnetz, die elektrifizierten Bahnstrecken aus dem Süden enden an den Knotenpunkten in Leeuwarden und Groningen. Bereits seit 1999 ist das Netz privatisiert und durchgehend in der Hand von Arriva, die nach geerbten NS-Dieseltriebzügen und einer ersten Generation Stadler-GTW inzwischen als erster und bislang einziger Kunde die Stadler-Neuentwicklung WINK, als Nachfolger des GTW gedacht, einsetzt. Im Bild ist einer der 18 ab 2021 eingesetzten Züge beim Halt Dronryp auf der Fahrt von Harlingen Haven nach Leeuwarden zu sehen; Harlingen hat vor allem eine Bedeutung als Ausgangspunkt für die Fahrt zu den westfriesischen Inseln und ist durchgehend halbstündlich an die Stadt Leeuwarden angebunden.

Der wichtigste Meilenstein nach der Eröffnung des Abschlussdeiches war hingegen der Bau einer Bahnlinie auf dem Flevopolder. Bahnverbindungen wurden bereits beim Bau des nördlichen Polders – ab 1957 benutzbar – geplant, aber erst mit der Trockenlegung des südlichen Polders ab 1967 wurden die Pläne konkret. Eröffnet wurde die so genannte Flevolijn zwischen Weesp und Lelystad aber schliesslich erst 1987 (bis Almere) bzw. 1988. Die Linie ermöglichte die Anbindung der beiden stark wachsenden Städte an Amsterdam – insbesondere die Stadt Almere wurde auch ganz gezielt dazu gebaut, günstigen Wohnraum für die Bevölkerung der aus allen Nähten platzende Hauptstadt zu schaffen.

Im Intercity-Verkehr hat die niederländische Staatsbahn NS (Nederlandse Spoorwegen) nach wie vor eine Monopolstellung; das Resultat ist ein Netz, das weitgehend im Halbstundentakt, in zentraleren Gebieten dank überlagerter Takte viertelstündlich oder noch häufiger bedient wird. Das gilt auch für die Flevolijn zwischen Amsterdam und Flevoland, welche bis Lelystad in einem hinkenden Viertelstundentakt bedient wird, gebildet aus den je stündlichen Linien Rotterdam–Groningen, Rotterdam–Leeuwarden und der halbstündlichen Verdichtungslinie Dordrecht–Lelystad Centrum. Zusätzliche IC und Sprinter binden die Provinz an Amsterdam Centraal an, fahren doch die erwähnten Haupt-IC inzwischen zur besseren Entflechtung des Netzes alle über Amsterdam Zuid. Die Linie Dordrecht–Lelystad wird üblicherweise mit den vier- und sechsteiligen Zügen der Bauart VIRM bedient – die 98 Vier- und 80 Sechsteiler wurden ab 1994 und in mehreren Serien bis 2009 gebaut und stellen vor allem in den dicht besiedelten Landesteilen das Rückgrat des IC-Verkehrs dar. Der Zug im Bild hat soeben das Siedlungsgebiet der Stadt Almere verlassen und wird nun entlang dem Naturschutzgebiet Ostvaardersplassen zu seinem Endpunkt Lelystad Centrum weiterfahren – das Naturschutzgebiet war ursprünglich ebenfalls als Landwirtschaftsland eingeplant, wurde aber mangels Bedarfs an weiterem Agrarland nie abschliessend trockengelegt und ist inzwischen der wohl einzige Land-Nationalpark auf ehemaligem Meeresgrund.

Als Polder bezeichnet man ein Stück Land, welches durch Eindeichung und Trockenlegung einem See oder Meer abgerungen wird. Der Noordoostpolder, als erster Polder aus dem erst kurz zuvor durch den Abschlussdeich von der Nordsee abgetrennten Ijsselmeer geschaffen (der Wieringermeerpolder wurde noch in der offenen Zuiderzee als eine Art Prototyp gebaut), wurde ab 1936 gebaut und ab Anfangs 1941 leergepumpt. Drei Hauptpumpwerke übernehmen bis heute die Entwässerung des Polders, darunter das «Gemaal Smeenge» bei Kraggenburg. Die Buslinie 71 von Zwolle nach Emmeloord fährt direkt über die nebenstehende Schleuse, der Verkehr über die enge Holzbrücke wird mit Lichtsignalen geregelt und die Brücke bei passierenden Booten geöffnet.

Im Regionalverkehr betreiben die NS die Zuggattung «Sprinter». Seit Ende 2021 werden dafür ausschliesslich niederflurige Triebzüge verschiedener Bauarten eingesetzt – unter anderem die inzwischen 206 Züge «Sprinter Nieuwe Generatie» (CAF Civity), ab 2016 in drei- und vierteiliger Variante abgeliefert. Im Bild quert ein Zug der Strecke Zwolle – Utrecht gerade den sogenannten Hansebogen («Hanzeboog»), Teil der 2012 eröffneten Hanzelijn, welche Lelystad auf Flevoland mit dem Eisenbahnknotenpunkt Zwolle in Overijssel verbindet. Früher überspannte hier eine Hubbrücke die Ijssel, was aufgrund des regen Schiffsverkehrs entweder auf der Schiene oder auf dem Wasser für Verspätungen sorgte. Seit neben der alten Hauptlinie Zwolle – Utrecht auch die Hanzelijn an dieser Stelle übersetzt, wäre der Betrieb mit Hubbrücke aus Kapazitätsgründen definitiv nicht mehr praktikabel gewesen, weshalb das altehrwürdige Bauwerk durch den neuen Bogen – selbstverständlich mit Radweg ausgestattet – ersetzt wurde.

Die Pläne für die Weiterführung der Bahnlinie Richtung Norden wurden hingegen weiter verzögert, nicht zuletzt, weil man sich politisch nicht einig wurde, ob die Bahnstrecke ab Lelystad direkt nach Zwolle geführt werden sollte (was die Verbindung von Amsterdam zu diesem wichtigen Regionalzentrum und weiter nach Groningen im Norden deutlich beschleunigt) oder aber über den bisher schienenlosen Noordoostpolder mit Hauptort Emmeloord und dann weiter über Heerenveen und Drachten nach Groningen geführt werden sollte. Schliesslich fiel der Entscheid für erstere Variante, welche 2012 vollendet wurde. Die so genannte Hanzelijn ermöglichte ein neues «InterCity-Kreuz» in Zwolle, mit Zügen von Den Haag über Amsterdam Süd, Almere und Zwolle nach Groningen und von Rotterdam über Gouda, Utrecht, Amersfoort, Zwolle und Heerenveen nach Leeuwarden, wobei die Züge in Zwolle jedes zweite Mal (also je stündlich) über Kreuz weitergeführt werden, sodass für alle Relationen stündlich Direktverbindungen resultieren und in der anderen halben Stunde eine perrongleiche Umsteigeverbindung.

Die Strecken nördlich von Zwolle werden wie viele periphere IC-Linien mehrheitlich mit dem so genannten «Inter-City-Materieel» ICM bedient, das auf den Übernamen «Koploper» (Kopfläufer) hört. Die Züge konnten ursprünglich dank aufklappbarer Front zu durchgängigen Mehrfachtraktionen gekuppelt werden, was jedoch aufgrund des Wartungsaufwandes bei der ab 2005 durchgeführten Totalrenovation aufgegeben wurde. Die Züge werden aber weiterhin in Mehrfachtraktion verwendet, im Bild ist eine Komposition aus zwei Drei- und einem Vierteiler nördlich von Zwolle als Intercity Groningen–Rotterdam unterwegs. Insgesamt sind 137 Einheiten modernisiert worden – der Ersatz der Züge hat 2020 begonnen, die Züge werden schrittweise durch eine neue Generation IC-Züge von Alstom ersetzt.

Bis heute wird das Hauptnetz in den Niederlanden durch die staatliche Nederlandse Sporwegen geführt, welche sowohl rasche InterCity-Züge als auch die überall haltenden Sprinter-Züge führt. Verschiedene Nebenlinien wurden hingegen inzwischen ausgeschrieben – bereits 1999 etwa übernahm Arriva, anfänglich mit ihrer Tochtergesellschaft NoordNed, den Verkehr auf den Diesel-Linien in Friesland und Groningen, seit 2017 fährt die SNCF-Tochter Keolis zwischen Kampen, Zwolle und Enschede.

Privatisiertes Busnetz

Im Gegensatz zum Bahnnetz, dessen vollständige Privatisierung bis heute ein Traum sparsamer Politiker ist, ist der Bus-Linienverkehr in den Niederlanden ähnlich den nordeuropäischen Ländern grossmehrheitlich «privatisiert», wobei mit dem FS-Unternehmen Busitalia (in den Niederlanden unter QBuzz vermarktet), der DB-Tochter Arriva und der SNCF-Tochter Keolis auch hier ein beträchtlicher Teil der Netze in der Hand von quasi-staatlichen Unternehmen ist.

Rund um das Ijsselmeer ist Keolis unter anderem mit den Konzessionen Ijssel-Vecht, Utrecht und Stadtverkehr Almere präsent, wobei letztere beiden noch unter dem bis 2017 verwendeten Namen Syntus betrieben werden, der noch aus einer Zeit vor dem Kauf des Unternehmens durch Keolis stammt. Arriva deckt rund um das Ijsselmeer mit dem zusammengewürfelten Netz «Noord- en Zuidwest-Fryslân en Schiermonnikoog» sowie dem Stadtverkehr Lelystad zwei sehr unterschiedliche Netze ab.

Auf der Konzession Nord- und Südwestfriesland/Schiermonikoog setzt Arriva fast ausschliesslich Fahrzeuge aus niederländischer Produktion ein – der Hersteller VDL ist mit rund 100 Fahrzeugen aus der Citea-Familie vertreten, darunter 97 Exemplare der klassischen Citea-Bauart LLE-120. Während auf Hauptachsen halbstündlich oder häufiger gefahren wird, reicht die Nachfrage (oder die Finanzen der eher strukturschwachen Region Friesland) auf den übrigen Linien bisweilen nur für einen Stundentakt mit Lücken, etwa auf der Linie 96 von Bolsward zum Busknoten Kop Afsluitdijk. Der Bus ist hier hinter dem Deich bei Cornwerd unterwegs, gut erkennbar ist hier, dass das Land heute unter dem Meeresspiegel des Ijsselmeers liegt.
Eine der aktuellen Keolis-Konzessionen umfasst den Busverkehr Almere. Der ÖV in der ab den 1980er-Jahren erbauten Planstadt wird weitgehend auf Eigentrassee geführt, abgesehen von wenigen zentralen Hauptachsen für den MIV wird die Siedlung ansonsten von Wohn- und Velostrassen erschlossen. Das Eigentrassee mit gesicherten Übergängen – das Signalsystem umfasst sogar Vorsignale, um ein unnötiges Bremsen der Busse zu vermeiden – ermöglicht zuverlässige Fahrpläne und eine energiesparende Fahrweise. Die sieben so genannten Metro-Linien (wie das ganze Netz unter dem Namen AllGo vermarktet) dürften so zu den zuverlässigsten im Land gehören. Im Einsatz stehen hauptsächlich Busse von MAN, 2017 zum Konzessionsbeginn neu geliefert: Nebst den 10 Standardbussen der Bauart A37 sind auch 58 Dreiachser der Bauart A26 im Einsatz. Die Aufnahme entstand im Gebiet Tussen de Vaarten – eigentlich als Siedlungstrenngürtel geplant, inzwischen aber auch zum Wohnquartier entwickelt.
Die Konzession Noord-Holland Noord betreibt Connexxion unter der Marke Overal. Das bediente Gebiet umfasst die Provinz Noord-Holland nördlich von Zaanstreek-Waterland, mit Ausnahme der Insel Texel. Zur Flotte gehören unter anderem 75 im Jahre 2020 gelieferte VDL Citea LLE-99 Electric, welche insbesondere auch auf ländlichen Linien wie hier in der Region Westfriesland zwischen der Kleinstadt Hoorn am Markermeer und Andijk am Jsselmeer eingesetzt werden. Der Grundstein für die Mühle von Wervershoof («de Wervershoofse Molen») wurde 1889 gelegt und sie ist eine von ursprünglich mindestens 25 Mühlen in dieser Region. In der ehemaligen Getreidemühle ist heute ein Museum untergebracht. Foto: Silvan Pleisch.
Für die Konzession Ijsselmond betreibt Connexxion die 100%-Tochtergesellschaft OV Regio Ijsselmond mit einer recht vielfältigen Flotte, unterwegs sowohl in Flevoland als auch in Teilen der Provinz Overijssel. Im Bild ist einer von 39 Iveco Crossway LE unterwegs auf dem südlichen Flevopolder bei Zeewolde. Im Bild sehr gut zu erkennen ist der Höhenunterschied von mehreren Metern zwischen dem Randmeer Wolderwijd und dem trockengelegten Binnenland.

Bis heute wird das Hauptnetz in den Niederlanden durch die staatliche Nederlandse Sporwegen geführt, welche sowohl rasche InterCity-Züge als auch die überall haltenden Sprinter-Züge führt. Verschiedene Nebenlinien wurden hingegen inzwischen ausgeschrieben – bereits 1999 etwa übernahm Arriva, anfänglich mit ihrer Tochtergesellschaft NoordNed, den Verkehr auf den Diesel-Linien in Friesland und Groningen, seit 2017 fährt die SNCF-Tochter Keolis zwischen Kampen, Zwolle und Enschede.

Privatisiertes Busnetz

Im Gegensatz zum Bahnnetz, dessen vollständige Privatisierung bis heute ein Traum sparsamer Politiker ist, ist der Bus-Linienverkehr in den Niederlanden ähnlich den nordeuropäischen Ländern grossmehrheitlich «privatisiert», wobei mit dem FS-Unternehmen Busitalia (in den Niederlanden unter QBuzz vermarktet), der DB-Tochter Arriva und der SNCF-Tochter Keolis auch hier ein beträchtlicher Teil der Netze in der Hand von quasi-staatlichen Unternehmen ist.

Rund um das Ijsselmeer ist Keolis unter anderem mit den Konzessionen Ijssel-Vecht, Utrecht und Stadtverkehr Almere präsent, wobei letztere beiden noch unter dem bis 2017 verwendeten Namen Syntus betrieben werden, der noch aus einer Zeit vor dem Kauf des Unternehmens durch Keolis stammt. Arriva deckt rund um das Ijsselmeer mit dem zusammengewürfelten Netz «Noord- en Zuidwest-Fryslân en Schiermonnikoog» sowie dem Stadtverkehr Lelystad zwei sehr unterschiedliche Netze ab.

Mehrere durch EBS betriebene R-net-Linien erschliessen Waterland, eine nach wie vor wasserreiche Region nördlich von Amsterdam. Die Stadt Purmerend mit mehr als 90'000 Einwohner liegt etwa zehn Kilometer nördlich von Amsterdam und ist zum einen auf der Schiene alle 30 Minuten an Amsterdam angeschlossen. Zum anderen verbinden nicht weniger als zehn Buslinien Purmerend über den «N-wegen» (Nationalstrasse ohne Autobahncharakter) N235 mit Amsterdam. Neben verschiedenen Linienführungen und Start-/Endpunkten in Purmerend werden in Amsterdam die Bahnhöfe Noord, Centraal und Sloterdijk angefahren. Drei Linien verkehren nur in den Hauptverkehrszeiten und erschliessen auf direktem Weg die Arbeitsplatzgebiete in Amsterdam-Zuidoost auf der Südseite der Metropole. Durch die Bündelung der Linien auf dem N235 verkehrt auf diesem selbst in Randstunden etwa alle vier Minuten ein Bus je Richtung. Zur Bewältigung dieser Verkehrsmenge steht eine durchgehende, getrennte Bus-Fahrbahn zuur Verfügung. Während hier innerhalb von Purmerend nur eine Busspur in südlicher Richtung vorhanden ist, besteht zwischen Purmerend und Het Schouw eine getrennte einspurige Fahrbahn für Busse, welche über Lichtsignalanlagen in der jeweiligen Lastrichtung dynamisch freigegeben wird. Das Rückgrat der Busflotte in Waterland ist noch eine Flotte von ursprünglich mehr als 160 im Jahr 2011 angeschafften Scania Citywide Low Entry als Standard- und Gelenkbusse. Foto: Silvan Pleisch.
Die so genannten Qliners sind Schnellbusse in den Konzessionsgebieten von Arriva und QBuzz, welche insbesondere auf Linien ohne Bahnverbindung ein hochwertiges Angebot anbieten. So verbindet die Linie 350 die Bahnhöfe Alkmaar in Noord-Holland und Leeuwarden in Friesland und befährt dabei stündlich den grossen Abschlussdeich; im Bild hat der Bus das nördliche Ende des 32 Kilometer langen Deichs fast erreicht, erkennbar an der Nebenstrasse, die im nördlichsten Abschnitt zwischen Zurich und Kornwerderzand zusätzlich zur vierspurigen Autobahn auf dem Bauwerk verläuft und einen fussläufigen Zugang für den Fotografen trotz der mehrjährigen sanierungsbedingten Sperre des Fuss- und Velowegs ermöglicht. In Kürze erreicht der Mercedes Intouro, Teil einer 21 Fahrzeuge umfassenden Serie für Qliners (im übrigen Regionalverkehr sind in den Niederlanden längst Niederflur- oder LE-Fahrzeuge unterwegs), die auf grüner Wiese errichtete Busstation «Kop Afsluitdijk», wo er sich mit seinem Gegenkurs und drei weiteren Linienbussen zu einem Taktknoten trifft.

Ein wichtiger Teil des Busnetzes vor allem im Norden sind die so genannten Q-Liner, welche als Teile verschiedener Konzessionen bestehen und als Schnellbuslinien die wichtigsten Strecken ohne Bahnanschlüsse beschleunigt bedienen. In Bezug auf das Ijsselmeer von besonderer Bedeutung ist die Linie 350, welche die fehlende Bahnverbindung über den Abschlussdeich kompensiert und die Städte Leeuwarden und Alkmaar miteinander verbindet. Die Linie ist Teil der Arriva-Konzession in Friesland und wird stündlich bedient, wobei an beiden Enden des Abschlussdeiches in Zurich und Den Oever Knotenpunkte bestehen, an denen die Buslinie Anschluss in die umliegenden Regionen bietet.

Am anderen Ende der Skala ist ebenfalls eine niederländische Besonderheit zu finden, die sich aber langsam auch in anderen europäischen Ländern zu etablieren beginnt. Wo sich eine «echte» Buslinie nicht rechnet, fährt eine der mehreren Hundert so genannten «Buurtbus»-Linien – als «Nachbarschaftsbusse» oder Bürgerbusse zu übersetzen. Die Linien sind üblicherweise voll in die Fahrplansysteme der jeweiligen Konzessionen integriert, werden aber durch lokale Vereine getragen, welche die ehrenamtlichen Chauffeure stellen. Nicht alle, aber viele Linien sind ausserdem in die jeweiligen Tarifsysteme integriert – es gibt aber auch andere Modelle bis hin zur notwendigen Mitgliedschaft im Verein für die Mitfahrt.

Die so genannten Bürgerbusse («Buurtbus» auf Niederländisch) sind in aller Regel Kleinbusse, welche für maximal 8 Fahrgäste zugelassen sind und so ohne speziellen Führerschein von Freiwilligen gefahren werden können. OV Regio IJsselmond steht im Besitz von sechs Kleinbussen, welche nebst den beiden Bürgerbussen im Konzessionsgebiet auch andere Linienleistungen ausführen. Nebst fünf Werkssprintern ist ein VDL MidCity für die Linie 506 vorhanden, einer von wenigen niederflurigen Bürgerbussen in der Region. Die Linie bindet im Eineinhalbstundentakt die Dörfer Wilsum und Zalk an das übergeordnete Netz in Kampen und Hattem an – im Bild hat der Bus vor Kurzem das kleine Dörfchen Zalk mit seiner markanten Kirche verlassen und fährt nun entlang eines Nebenarms der Ijssel weiter in Richtung seines Endpunktes Hattem. Bemerkenswert ist, dass die in den Niederlanden eingesetzten Fahrzeuge hierzulande mit deutlich mehr Fahrgästen eingesetzt werden dürfen und einen entsprechenden Führerschein bedingen.

Rund um die «Randstad»

Mit Amsterdam grenzt auch eine der verbliebenen drei Städte mit kommunalen Verkehrsbetrieben an das Ijsselmeer – die dortigen GVB betreiben ein dichtes Netz aus Stadtbus-, Tram- und Metrolinien. Neben der Hauptstadt weisen lediglich Den Haag und Rotterdam noch kommunale Verkehrsbetriebe auf, welche ihre Leistungen bisher stets «unter der Hand» behalten konnten. Alle anderen Stadtnetze sind öffentlich ausgeschrieben worden (etwa in Almere und Lelystad auf Flevoland) oder Teil grösserer regionaler Konzessionen (rund um das Ijsselmeer beispielsweise in Utrecht, Zwolle und Leeuwarden).

Das Tramnetz in Amsterdam wird wie das städtische Busnetz von der städtischen GVB (Gemeente Vewoersbedrijft) betrieben; auch in der Hauptstadt ist das Wasser allgegenwärtig, und wie auf Flevoland wird hier in kleinerem Mass regelmässig Land aus dem Ij, einem früheren Arm des Ijsselmeers, geschaffen – im Bild quert ein Siemens Combino, unterwegs auf der Linie 10, die Brücke des Verbindungsdamms von der bereits Ende 19. Jahrhunderts als Wellenbrecher angelegten KNSM-Insel Richtung Stadtzentrum.
Nebst Amsterdam verfügen nur Den Haag und Rotterdam noch über eigene Verkehrsbetriebe – in den übrigen Städten ist der Stadtverkehr Teil von grösseren Konzessionen, etwa in Leeuwarden, wo der Stadtbus innerhalb der Konzession Nord- und Südwestfriesland/Schiermonnikoog abgewickelt wird. Zum Einsatz kommen hier unter anderem sechs Elektro-Gelenkbusse VDL Citea SLFA-180 Electric auf den Stadtbuslinien 603 und 612. Die übrigen Stadtbuslinien werden von neun Iveco-Citelis-Erdgasbussen bedient.

In den letzten Jahren werden vermehrt Buslinien um Amsterdam (sowie um Den Haag und Rotterdam) unter der Marke «R-Net» vermarktet, was für «Randstad-Net» steht – mit den Linien soll die riesige Doppel-Metropolitanregion um Amsterdam, Den Haag und Rotterdam besser an ihre Zentren angebunden werden. Voraussetzung für das «Gütesiegel» ist ein dichter Takt oder eine beschleunigte Linienführung, eine funktionierende Busbevorzugung, komfortable Fahrzeuge und moderne Informationssysteme im Fahrzeug und an den Haltestellen. Die Linien führen auch aus den Provinzen Noord- und Zuid-Holland hinaus nach Flevoland und in die Provinz Utrecht.

Die Konzession Busverkehr Almere umfasst sowohl die städtischen Linien des AllGo-Netzes als auch fünf R-Net-Linien, wofür insgesamt 33 dreiachsige Überlandbusse der Bauart MAN A44 eingesetzt werden. Für das neue Netz wurde direkt an der Autobahn zwischen den Stadtteilen Centrum und Haven (letzterer war ab den 80er-Jahren der erste entwickelte Teil der inzwischen zu den 10 grössten Städten des Landes gehörenden Planstadt) der neue Umsteigeknoten t’Oor erbaut, welcher es ermöglicht von Almere Haven direkt auf das R-Net und so nach Amsterdam zu gelangen, ohne die langwierige Fahrt ins Stadtzentrum und mit der überlasteten Bahn auf sich zu nehmen. Im weiteren Fahrtverlauf werden die R-Net-Busse im Hintergrund auch Almere Port sowie dem P+R-Platz Muiden kurz vor dem Stadtrand bedienen, und so weitere Reisende vom Auto auf den ÖV «lenken».

Funktionierendes ÖV-System

Als Besteller und (auf grösserer Flughöhe) auch als Planer der Busnetze treten in allen Fällen weiterhin die Metropolitanregionen oder Provinzen auf, weshalb das Busnetz in den Niederlanden, anders als beispielsweise in England, trotz Privatisierung integral geplant und auf das Schienennetz abgestimmt wird.

Die Tarifierung erfolgt grundsätzlich national – mit der Einführung der OV-Chipkaart, einer Wertkarte mit der Möglichkeit, auch Abonnemente und Zusatzangebote darauf zu laden, ist ein verkehrsträger- und konzessionsübergreifender Verkehr im ganzen Land möglich, wenn auch relativ teuer. Für Vielfahrer, Feriengäste oder Ausflügler stehen deshalb unzählige Spezialangebote zur Verfügung, die regional oder von den einzelnen Transportunternehmen organisiert und vertrieben werden, was das System insgesamt wieder recht unübersichtlich macht.

Grosse Bushöfe ermöglichen in der Regel eine gute Verknüpfung zwischen Bahn und Bus – auch in Zwolle, einem wichtigen Knotenpunkt der Keolis-Konzession Ijssel-Vecht. Der Bushof wurde aus Platzgründen hinter dem Bahnhofsareal angelegt, eine Busbrücke, im Hintergrund erkennbar, wurde 2019 erstellt, um den Bushof direkt ans Strassennetz anzubinden.

Wie weiter?

Natürlich bestehen auch in den Niederlanden Projekte zur Weiterentwicklung des öffentlichen Verkehrs.

Bahnseitig steht vor allem die Bündelung der Linien auf dem Plan – zur Reduktion von technischen Störungen soll der ÖV in Zukunft vermehrt linienrein angeboten werden, so dass Konzepte wie der halbstündliche «IC-Wechsel» in Zwolle längerfristig zugunsten gesicherter Anschlüsse aufgegeben werden sollen. Damit soll sich die Zuverlässigkeit des Netzes deutlich erhöhen, da vermehrt Weichenverbindungen wegfallen oder nur noch in Ausnahmefällen gestellt werden müssen – ebenso wird sich durch den Wegfall von Querfahrten und Kreuzungen die Kapazität des Netzes weiter erhöhen, was angesichts der steigenden Nachfrage wichtig ist.

Beim Bus ist die Elektrifizierung des Netzes das vordringliche Ziel –im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum, wo auch aktuell (mit Ausnahme einer wachsenden Zahl von städtischen Regionen) noch regelmässig Dieselbusse beschafft werden, sind in den Niederlanden Verbrennungsmotoren bei neuen Konzessionen nur noch in Ausnahmefällen akzeptiert. Die Konzession «Ijssel-Vecht», welche aktuell als Notkonzession für zwei Jahre läuft, verwendet Dieselbusse nur noch auf einigen wenigen Stadtlinien, während ein Grossteil des Netzes mit rund 250 elektrischen Zweiachsern bedient wird. Daneben wird der flächige Ausbau des R-Net-Netzes auf die ganze Randstad-Region weitergeführt.

Insgesamt soll der ÖV so – zusammen mit dem in den Niederlanden allgegenwärtigen Velo – einen noch grösseren Teil zu einem ökologisch nachhaltigen Verkehrssystem beitragen. Ob dies mit dem bestehenden Tarifsystem gelingt, ist noch zu beweisen.

Informationen über den niederländischen ÖV bietet insbesondere das sehr umfangreiche OVNL-Wiki, zugänglich unter diesem Link.

Die Wissensplattform „CROW“ stellt zahlreiche weitere Informationen und Daten über den niederländischen ÖV und allgemein über Verkehrs- und Raumplanung zur Verfügung – unter anderem die so genannten „Concessieposter“ als jährliche Übersicht über die Konzessionsaufteilungen im ÖV. Grundlage für den Artikel war der Stand 2022.

  • Silvan Pleisch für die ergänzenden Fotos und den fachlichen Austausch während der Fototouren
  • Harry und Denis Laming für das „kritische“ Review und den Link zur niederländischen Bus-Szene.
Der neue Stadtteil Stadshagen in Zwolle wird durch zwei Buslinien mit Nummern 1 und 11 erschlossen, beide Teil der Konzession Ijssel-Vecht unter dem Markennamen «RRReis». Das Bild symbolisiert recht gut die Zukunft des ÖVs in den kleineren Städten – ein vollelektrischer Bus (im Rahmen der Konzession beschaffte Keolis insgesamt 259 neue Elektrobusse beim chinesischen Hersteller BYD – unterwegs auf einer Velostrasse, die daneben ausschliesslich den Linienbussen ein rasches Vorwärtskommen ermöglicht.