Mit drei Kleinbussen fährt die Firma Kander Reisen aus Frutigen im Auftrag einer Bergbauerngenossenschaft von Kandersteg ins Gasterntal. Damit bringt man hauptsächlich Wanderer zum Lötschenpass – Tal und Buslinie sind aber auch so höchst interessant!

Die Schweizer Alpen waren stets ein Hindernis im Verkehr zwischen Norden und Süden; egal, welche Stämme, Völker und heute Länder auf den beiden Seiten hausten, das Bedürfnis, das Gebirge zu überqueren, existierte. Es gibt Belege, dass der Lötschenpass, welcher vom Gastern- ins Lötschental und somit vom Berner Oberland ins Oberwallis führt, schon in prähistorischer Zeit begangen war. Die erste schriftliche Erwähnung des Passes datiert auf 1352.

Selden ist der einzige grössere Weiler im Gasterntal und Ausgangspunkt für die Wanderung über den Lötschenpass ins Lötschental. Der Kleinbus hat vor kurzem den ersten Halt beim Gasthaus Steinbock und der Abzweigung zum Pass bedient und bringt nun ein paar letzte Reisende zur direkt hinter dem Fotografen gelegenen Endhaltestelle beim Hotel Gasterntal-Selden. Auf diesem Abschnitt wirkt das Tal mit den saftigen Alpweiden und der geteerten Strasse schon fast austauschbar – was auf die Fahrt bis hierhin sicher nicht zutrifft.

Doch während über andere Pässe heute Autobahnen, Schnellstrassen oder spektakuläre Bahnlinien führen, ist der Lötschenpass mit seinem noch heute abschnittweise existierenden Saumpfad bis dato den Fussgängern vorbehalten – die Eisenbahn durchquert den Berg mehr als tausend Meter tiefer gleich zweimal. Mit dem Lötschenpass blieb auch das Gasterntal von grossen zivilisatorischen Eingriffen verschont – dass es trotzdem mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen ist, verdankt es nicht zuletzt den wirtschaftlichen Nachwehen des ersten Weltkrieges.

Eine technische Meisterleistung

In der Wirtschaftskrise nach dem ersten Weltkrieg war es üblich, Arbeitslose zu beschäftigen, indem man sie für Projekte für die Allgemeinheit einsetzte. Eines davon war der Bau einer Fahrstrasse von Eggenschwand bei Kandersteg durch die «Chluse» genannte Engstelle ins Gasterntal – Hauptzweck des Baus war wohl die motorisierte Erschliessung der verschiedenen Alpen im Tal und weniger die Förderung des nach dem Krieg zunächst brachliegenden Bergtourismus. Die Strasse wurde über weite Abschnitte in den Fels gehauen und mit waghalsig angelegten Stützmauern gesichert; des Weiteren umfasst sie zwei Tunnels.

Die Klusen-Strasse, 1924–25 als Arbeitslosenprojekt erbaut, führt durch eine felsige Schlucht. Der Renault-Kleinbus im Bild ist auf Talfahrt und hat gerade den oberen der beiden Tunnel durchquert. Nach einer kurzen Felspassage wird er im unteren Tunnel das eigentliche Tal verlassen und dann auf einer sehr schmalen Strasse, teils in überhängender Felswand, den Boden des Kandertals erreichen.

Titelbild: Wer sich mit dem ÖV komfortabel ins Gasterntal transportieren lassen möchte, braucht etwas Nerven: Die in den Fels gehauene Klusenstrasse prüft erstmals die Höhentauglichkeit der Wanderer über den Lötschenpass – sie werden sie auf dem Wanderweg nochmals unter Beweis stellen müssen.

Nur wenig weiter oben ist diese Aufnahme eines bergwärts fahrenden Kleinbusses entstanden. Das Fahrzeug hat – zum einzigen Mal auf der Bergstrecke ab Eggenschwand – die Kander überquert und damit den technisch wie landschaftlich eindrücklichsten Teil der Schlucht hinter sich. Man beachte auch die durchgehenden, gemauerten Stütz- und Leitmauern vor dem Tunnel. Der Blick fällt im Hintergrund auf den Boden des Kandertals mit Lötschbergbahn und Bahnhof Kandersteg im Hintergrund.

Direkt nach Durchquerung der Schlucht öffnet sich das Tal – und die Fahrt geht weiter über eine Schotterpiste bis in den Weiler Selden, dem Ausgangspunkt für die Wanderung über den Lötschenpass. Zwei Berggasthäuser sind dort angesiedelt – ein weiteres liegt oberhalb der Klusenstrasse auf halbem Weg von Kandersteg hierhin, ein viertes eine gute Wanderstunde hinter Selden. Nebst Passwanderern beherbergen die Gasthäuser natürlich auch Gäste, welche die Ruhe und Natur im Tal geniessen wollen – und die hat es in sich: Weder befestigte Strassen noch Wasserkraftwerke stehen der Natur hier im Weg. Seit 2012 ist der zentrale Abschnitt des Tals, bereits zuvor als Landschaft sowie Auengebiet von nationaler Bedeutung klassiert, streng geschützt als eine der letzten und grössten natürlichen Auen der Schweiz.

Geröll und junge Büsche begleiten die Szenerie im hintersten Teil des Auengebietes Kanderholz – es stammt nicht nur von der Kander, die hier nach einer kurzen Schluchtpassage wieder frei mäandrieren kann, sondern auch vom links im Bild einmündenden Sillerengraben, der gelegentlich ebenfalls viel Material mit sich führt. Auf der nach langer Schönwetterperiode staubigen Strasse fährt ein einzelner Kleinbus zurück Richtung Kandersteg, im Hintergrund das Hockenhorn, das von der Lötschentaler Seite her mit einer Bergbahn erschlossen ist.

Busbetrieb mit Hindernissen

Das macht freilich die Erschliessung der Landschaft nicht nur einfacher: Im Talboden ist eine verlässliche Strassenführung unmöglich, zu oft würde sie durch die mäandernden Gewässer weggespült. Am Rand in leicht erhöhter Lage, wo die Strasse meist entlangführt, drohen Murgänge und Felsstürze aus den vom Doldenhorn steil abfallenden Runsen. Trotzdem sind längere Betriebsunterbrüche relativ selten: da über die Bäche keine Brücken, sondern nur Furten führen, gibt es auch bei Unwettern keine grösseren Schäden, es reicht, das in der Furt abgelagerte Geröll wegzuräumen.

Im Strassenverlauf parallel zum Gasternholz sind mehrere Seitengräben zu überqueren, was nicht etwa mit (viel zu leicht zerstörbaren) Brücken, sondern über befestigte Furten geschieht. Durch eine davon schaukelt sich Renault-Master Nr. 10 mit Anhänger bergwärts – viel mehr als Schritttempo liegt bei diesen Gräben nicht drin, was aber die Ausflügler im Bus kaum stören wird.
Zwischen Gastereholz und Selden ist eine weitere Steilstufe zu überwinden, was aber ohne grössere Bauten nur mit zwei Kehren geschieht. Hier ist ein weiterer Kleinbus unterwegs bergwärts – am hintersten Fenster trägt er Anschriften für sein winterliches Einsatzgebiet als Skibus Elsigen-Metsch.

Dass auf einer solchen Strecke nur Kleinbusse verkehren können, versteht sich von selbst. Als Betreiber amtet seit 1979 die Firma Kander Reisen aus Frutigen; zuvor war (ab der Eröffnung der Linie im Jahr 1962) Reiseunternehmer und Hotelier Schwitter aus Kandersteg im Einsatz. Kander Reisen setzt heute drei Kleinbusse der Bauart Renault Master ein – sie wurden 2003 beschafft und werden ausserhalb der kurzen Saison auch im übrigen Reiseverkehr verwendet. Ohnehin ist die Firma für den Busbetrieb, der seit 2010 aufgrund der nicht gegebenen Erschliessungsfunktion (das Gasterntal ist nur im Sommer bewohnt) kantonal anstatt eidgenössisch konzessioniert ist, so etwas wie die «Schaltzentrale»: Hier laufen an Spitzentagen die Telefone heiss, wenn sich Wanderer einen Platz auf der reservationspflichtigen Linie sichern wollen. Faktisch ist die Firma aber nur Transportbeauftragte, denn die Konzession der Linie wird seit 1979 jeweils an die Bäuert Gastern, die lokale Bergbauerngenossenschaft, ausgestellt, welche auch gleich Besitzerin der befahrenen Strasse ist. Als kantonale Konzessionärin müsste die Bäuert ihren Fahrplan eigentlich nicht zwingend publizieren – da dies aber auch freiwillig möglich ist und im Gegenzug die Buskurse auch in den Online-Medien auftauchen, wird dies jedoch weiterhin so gehandhabt.

Beim Waldhaus erreichte die frei mäandrierende Kander im Sommer 2017 fast die Strasse, welcher so nur noch ihr schmales Trassee zwischen rutschendem Geröll und Wasser blieb. Der Bus erreicht in Kürze die Holzbrücke, welche Fussgänger zum 1910 erbauten Hotel Waldhaus und weiter zur SAC-Balmhornhütte führt – sie liegt auf dem Plateau rechts im Bild über dem Wasserfall! Nach dem Waldhaus beginnt der zeitgeregelte Abschnitt der Klusenstrasse – der Busfahrplan ist darauf natürlich abgestimmt, so dass der Kleinbus ohne Wartezeit weiter nach Kandersteg fahren wird.
Mit diesem Bild, aufgenommen zwischen der Klusen und dem Waldhaus, verabschieden wir uns aus dem Gasterntal. Der Bus ist als nachmittägliche Bergfahrt unterwegs und bringt noch einige Wanderer, welche in einer der SAC-Hütten über dem Tal übernachten wollen, bergwärts; viele andere sind bereits auf der anderen Flussseite zu Fuss unterwegs zurück nach Kandersteg, weshalb ein einzelner Kleinbus für die Nachmittagskurse oft genügt.