Das ÖV-System im Kanton Zürich wird gelegentlich auch als das beststrukturierte im Land bezeichnet. Diese Strukturen haben auch dazu geführt, dass rund um die grösste Stadt der Schweiz bis heute längst nicht alle Postautos gelb sind.

Mehr als zwanzig Jahre sind inzwischen ins Land gezogen, seit im Kanton Zürich und in einzelnen benachbarten Gemeinden der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) als erster integraler Tarifverbund der Schweiz eingeführt wurde. Zur gleichen Zeit wurde, ausgehend von einem neuen Gesetz über den öffentlichen Verkehr und die dazugehörige Angebotsverordnung, auch das ÖV-Angebot neu gestaltet. Nebst der ersten offiziellen S-Bahn im Land, die das Bahnangebot massiv verbesserte, wurden diverse Buslinien neu eingeführt, ausgebaut oder systematisiert. Verschiedene Verkehrsbetriebe und Postautohalter bauten in diesem Zusammenhang ihren Fahrzeugpark deutlich aus.

Lokale Beteiligung

Nebst dem nationalen Leader PostAuto wurden natürlich diverse regionale Verkehrsbetriebe und Transportunternehmer mit dem Betrieb der Linien beauftragt, von den grossen städtischen Verkehrsbetrieben aus Zürich bis hin zum Ein-Wagen-Betrieb. So kam der Carunternehmer Knöpfel Reisen aus Dinhard zur Ehre, mit einem Setra 215UL einen Linienbetrieb zwischen Seuzach, Dinhard, Altikon, Thalheim und Gütighausen anzubieten, und für die neue Buslinie im Rafzerfeld zu den mit dem Bahnhof Hüntwangen-Wil nur ungenügend erschlossenen Dörfern Hüntwangen, Wil ZH und Wasterkingen wurde der Busbetrieb HWW, benannt nach den Ortsnamen und im Besitz der Gemeinden, gegründet. Da diese Unternehmen oder deren Partner wie der Transportunternehmer Jenny aus Wil ZH bereits Garagen am richtigen Ort besassen, machte es keinen Sinn, diese Linien von PostAuto bedienen zu lassen. Ausserdem war der Betrieb auf diese Art lokal verankert, ein Vorteil, der gerade gegenüber den Branchenriesen nicht zu unterschätzen ist.

Zurück auf die HWW-Hauptlinie. Während die Dörfer Hüntwangen und Wil, die dem SBB-Bahnhof vor mehr als hundert Jahren seinen Namen gaben, in einem schönen Rundkurs erschlossen werden können, ist für die Bedienung des Dorfes Wasterkingen eine längere Stichfahrt über die Nebenstrasse in Richtung Deutschland (nächster grösserer Ort ist Hohentengen) nötig. Da dafür morgens und abends die Zeit nicht reicht, fährt dann die Firma Taxi Schmid aus Eglisau mit einem Fiat Ducato, der 2002 von den VBZ für Stadtzürcher Quartierbuslinien beschafft wurde und 2009 in Zürich überflüssig wurde. Auf der letzten morgendlichen Rückfahrt zum Bahnhof am 6.7.2011 entstand diese Aufnahme in typischer Rafzerfeld-Szenerie: Rechts ein riesiges Sonnenblumenfeld, links der Strasse eine bereits stark zugewachsene ehemalige Kiesgrube. (Foto: Jonas Schaufelberger)

Auch nach dem Angebotssprung von 1990 entwickelte sich das kantonale Busnetz schnell weiter. Nicht zuletzt auf dem Gebiet der Ortsbusse blieb einiges zu tun, und mit gezielter Förderung – auch finanzieller Art – gelang es rasch, weitere Gemeinden zu erschliessen. 1993 wurde beispielsweise mit einer Buslinie zum Bahnhof Schöfflisdorf-Oberweningen die Gemeinde Schleinikon, bisher ohne ÖV-Anschluss, ans ZVV-Netz angeschlossen. Wiederum ging hier der Transportauftrag an einen lokalen Reiseunternehmer: Im Auftrag der Gemeinde fuhr und fährt Ernst Volkart aus Schleinikon diese kurze Linie.

Nochmals drei Jahre später fuhr zum ersten Mal ein Ortsbus durch die Gemeinde Uitikon, die bereits durch diverse Postautolinien ab Zürich-Wiedikon über die Waldegg ins Freiamt und am Rande auch durch die Uetlibergbahn erschlossen war. Der Ortsbus bediente ab Sommer 1996 eine Schleife vom Bahnhof über die Waldegg und durch das Dorf bis Wängi, zusätzlich wurde auch der Ortsteil Ringlikon, dessen Uetlibergbahn-Haltestelle auf grüner Wiese liegt, angeschlossen. Ein hochfluriger MAN-Midibus im Besitz der Firma Fröhlich aus Zürich wurde durch einen O405 in VBG-Bemalung als Reservewagen unterstützt.

Mit einem roten Midibus, 2004 an ZimmerbergBus abgeliefert und bald darauf für sein Einsatzgebiet zu klein, fährt Volkart, Schleinikon, Montag bis Freitag die Linie 555 vom Bahnhof Schöfflisdorf-Oberweningen nach Schleinikon. Am 10.8.2011 wartet der Wagen mit dem ersten Kurs der Abendspitze am Bahnhof inmitten agglotypischer Wohnblöcke auf die Abfahrt ins ländliche Schleinikon. (Foto: Jonas Schaufelberger)

Der gelbe Riese steigt ein

Auch der ZVV selbst blieb in den Jahren nicht stehen. Um eine schlanke Organisation zu gewährleisten und die Zuständigkeiten vor allem der grösseren Betriebe zu klären, wurde Mitte der 90er Jahre das System der Marktverantwortlichen Verkehrsunternehmen (MVU) eingeführt. Diese grösseren Verkehrsbetriebe sind seither für die Koordination der Angebotsplanung in ihrer jeweiligen Region zuständig und in der Regel auch Konzessionär aller Linien in diesem Gebiet. Als grösster Anbieter von regionalen Buslinien in der Schweiz übernahm die Post bzw. die aus der Aufteilung des Postautodienstes in 17 Regionen entstandene PostAuto Zürich die Verantwortung für mehrere Regionen, unter anderem praktisch das ganze Knonauer Amt und Zürcher Unterland, für die Region Winterthur Land/Weinland, das obere Tösstal und die Buslinien in der Region Pfäffikon ZH.

Der schon auf der vorherigen Seite erwähnte Midibus vom Busbetrieb HWW, diesmal aufgenommen auf der anderen Eglisauer Ortsbuslinie, derjenigen nach Tössriedern. Der Wagen wurde 1999 für die Stammlinie des Betriebes beschafft und 2006 nach Eglisau versetzt, wo der bisherige Kleinbus dem Andrang nicht mehr gerecht werden konnte. Die Aufnahme entstand im Weiler Oberseglingen am 29.8.2011. (Foto: Jonas Schaufelberger)

Ähnliche Fälle mit Subunternehmern, die in ihrem eigenen Design Linien von einem MVU fahren, gibt es auch bei anderen Betrieben im ZVV. Hier drei Beispiele:

Für die SZU, die im Busgeschäft unter dem Markennamen ZimmerbergBus auftritt, fährt der Subunternehmer Bamert aus Wollerau mit Fahrzeugen im eigenen Kleid die Linie Richterswil – Samstagern.

Für die VBZ bedient der Subunternehmer Baumgartner aus Zollikon mit einem blauen Kleinbus die Quartierbuslinie 91. Gleichzeitig sind auf den Linien 91x Fahrzeuge desselben Betriebes im klassischen braun-beigen Farbschema als Autobetrieb Zürich – Zollikon – Küsnacht (AZZK) unterwegs. MVU: Auch hier die VBZ.

Der Reiseunternehmer Baumann aus Männedorf fährt für die Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO) mit einem türkis-beigen Midibus Beiwagen an der Goldküste.

Mit der Einführung dieses Konzepts gingen auch die Konzessionen der oben erwähnten Linien an PostAuto über. Der auf den ersten Blick logische Schritt, die Transportunternehmer als Postauto-Unternehmer (PU) an den gelben Riesen zu binden, wurde nicht durchgeführt, unter anderem auch aufgrund der Skepsis der Gemeinden. Stattdessen wurden die Betriebe als so genannte Transportpartner integriert. Deren Vertrag ist demjenigen eines Postauto-Unternehmers sehr ähnlich, er umfasst aber einige zusätzliche Freiheiten, nicht zuletzt beim Erscheinungsbild der Fahrzeuge und des Personals. So fahren auf diesen Linien weiterhin Fahrzeuge im eigenen Design der jeweiligen Unternehmer, wenngleich in den letzten Jahren die Fahrzeuge teilweise auch über PostAuto beschafft wurden – der gegenwärtig neueste Wagen im Park dieser Transportpartner, ein MAN NL313/A20 aus 2006 vom Busbetrieb HWW, ist im Innern von einem Postauto nicht mehr zu unterscheiden.

Ein Farbtupfer im weitestgehend gelben Weinland ist der grau-rote Citaro Ü von Knöpfel Reisen, der von Montag bis Freitag die Linie Seuzach- Andelfingen bedient. Am einstigen Endziel der Linie, in Gütighausen, fahren die Busse auch heute noch eine Schleife durch das Dorf und vorbei am schmucken Schulhaus. Aufnahme am 12.9.2011. (Foto: Jonas Schaufelberger)
Nicht wirklich von einem Farbtupfer sprechen kann man beim weissen MAN-Midibus, der seit 10 Jahren Tag für Tag seine Runden als Ortsbus im Zürcher Nobelvorort Uitikon dreht. Auf dem Weg vom alten Dorfkern nach Ringlikon hat er am 13.9.2011 soeben die Kantonsstrasse von Zürich ins Knonaueramt überquert. (Foto: Jonas Schaufelberger)

Ausbau im Kleinen

Die Zeit blieb natürlich nicht stehen: Das Angebot wurde bei allen Betrieben ausgebaut, sei es bei Knöpfel, dessen Linie heute von Seuzach nach Andelfingen führt, in Uitikon, wo der Takt verdichtet wurde oder in Schöfflisdorf, wo der Schleiniker Bus eine zusätzliche Schlaufe durch das Ortszentrum fährt. In Eglisau wurde 2002 ebenfalls ein Ortsbus eingeführt, der von der benachbarten HWW betrieben wird – erst mit einem Kleinbus, heute ebenfalls mit «richtigen» Fahrzeugen. Auf der HWW-Stammlinie fahren in Spitzenzeiten drei Kurse pro Stunde – da die Bedienung von Wasterkingen nach der Taktverdichtung nicht mehr ohne Fahrzeugmehraufwand möglich war, fährt dort heute die Firma Taxi Schmid aus Eglisau mit einem Fiat Ducato ex. VBZ. Und Ende 2011 geht die Geschichte weiter mit neuen Wagen für HWW und Fröhlich.

Titelbild: Als Flaggschiff des grössten Transportpartners von PostAuto Zürich, dem Busbetrieb HWW aus Wil ZH, fährt ein MAN NL313/A21 «Lions City» die meisten Kurse auf dem Rundkurs von der auf grüner Wiese gelegenen Station Hüntwangen-Wil in die Dörfer Wil ZH, Hüntwangen und Wasterkingen. Auf dieser Aufnahme vom 6.9.2011 hat der Wagen die Steigung auf die kleine Anhöhe zwischen Wil ZH und Hüntwangen in Angriff genommen und erreicht in Kürze die Haltestelle Lirenhof. Im Hintergrund schweift der Blick über Rafz und die weite Ebene des Rafzerfeldes, das nicht nur wichtiges Anbaugebiet, sondern unter dem grünen Deckel auch ein grosses Kiesabbaugebiet ist.

Foto: Jonas Schaufelberger

Das Thurtal ist, salopp gesagt, eine der ebensten Ebenen in der Schweiz. Während viele Dörfer etwas erhöht am Rande der einst regelmässig überfluteten Ebene gebaut wurden, durchzieht das heutige Strassennetz die ganze Ebene oft fast reissbrettartig. Auf einer dieser langen Strassenachsen ist am 27.6.2011 der Knöpfel'sche Citaro unterwegs in Richtung Andelfingen. Im Hintergrund ist Thalheim an der Thur zu erkennen, seinerseits erschlossen nicht nur mit dem Bus, sondern auch mit dem etwas entfernt gelegenen Bahnhof Thalheim-Altikon. Nächstes Ziel des Busses ist Gütighausen, danach wird er das Thurtal vorübergehend verlassen und über Niederwil und Adlikon nach Andelfingen fahren. (Foto: Jonas Schaufelberger)