Das ÖV-System im Kanton Zürich wird gelegentlich auch als das beststrukturierte im Land bezeichnet. Diese Strukturen haben auch dazu geführt, dass rund um die grösste Stadt der Schweiz bis heute längst nicht alle Postautos gelb sind.
Ein Bericht von Jonas Schaufelberger (Text und Fotos).
Mehr als zwanzig Jahre sind inzwischen ins Land gezogen, seit im Kanton Zürich und in einzelnen benachbarten Gemeinden der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) als erster integraler Tarifverbund der Schweiz eingeführt wurde. Zur gleichen Zeit wurde, ausgehend von einem neuen Gesetz über den öffentlichen Verkehr und die dazugehörige Angebotsverordnung, auch das ÖV-Angebot neu gestaltet. Nebst der ersten offiziellen S-Bahn im Land, die das Bahnangebot massiv verbesserte, wurden diverse Buslinien neu eingeführt, ausgebaut oder systematisiert. Verschiedene Verkehrsbetriebe und Postautohalter bauten in diesem Zusammenhang ihren Fahrzeugpark deutlich aus.
Lokale Beteiligung
Nebst dem nationalen Leader PostAuto wurden natürlich diverse regionale Verkehrsbetriebe und Transportunternehmer mit dem Betrieb der Linien beauftragt, von den grossen städtischen Verkehrsbetrieben aus Zürich bis hin zum Ein-Wagen-Betrieb. So kam der Carunternehmer Knöpfel Reisen aus Dinhard zur Ehre, mit einem Setra 215UL einen Linienbetrieb zwischen Seuzach, Dinhard, Altikon, Thalheim und Gütighausen anzubieten, und für die neue Buslinie im Rafzerfeld zu den mit dem Bahnhof Hüntwangen-Wil nur ungenügend erschlossenen Dörfern Hüntwangen, Wil ZH und Wasterkingen wurde der Busbetrieb HWW, benannt nach den Ortsnamen und im Besitz der Gemeinden, gegründet. Da diese Unternehmen oder deren Partner wie der Transportunternehmer Jenny aus Wil ZH bereits Garagen am richtigen Ort besassen, machte es keinen Sinn, diese Linien von PostAuto bedienen zu lassen. Ausserdem war der Betrieb auf diese Art lokal verankert, ein Vorteil, der gerade gegenüber den Branchenriesen nicht zu unterschätzen ist.
Auch nach dem Angebotssprung von 1990 entwickelte sich das kantonale Busnetz schnell weiter. Nicht zuletzt auf dem Gebiet der Ortsbusse blieb einiges zu tun, und mit gezielter Förderung – auch finanzieller Art – gelang es rasch, weitere Gemeinden zu erschliessen. 1993 wurde beispielsweise mit einer Buslinie zum Bahnhof Schöfflisdorf-Oberweningen die Gemeinde Schleinikon, bisher ohne ÖV-Anschluss, ans ZVV-Netz angeschlossen. Wiederum ging hier der Transportauftrag an einen lokalen Reiseunternehmer: Im Auftrag der Gemeinde fuhr und fährt Ernst Volkart aus Schleinikon diese kurze Linie.
Nochmals drei Jahre später fuhr zum ersten Mal ein Ortsbus durch die Gemeinde Uitikon, die bereits durch diverse Postautolinien ab Zürich-Wiedikon über die Waldegg ins Freiamt und am Rande auch durch die Uetlibergbahn erschlossen war. Der Ortsbus bediente ab Sommer 1996 eine Schleife vom Bahnhof über die Waldegg und durch das Dorf bis Wängi, zusätzlich wurde auch der Ortsteil Ringlikon, dessen Uetlibergbahn-Haltestelle auf grüner Wiese liegt, angeschlossen. Ein hochfluriger MAN-Midibus im Besitz der Firma Fröhlich aus Zürich wurde durch einen O405 in VBG-Bemalung als Reservewagen unterstützt.
Der gelbe Riese steigt ein
Auch der ZVV selbst blieb in den Jahren nicht stehen. Um eine schlanke Organisation zu gewährleisten und die Zuständigkeiten vor allem der grösseren Betriebe zu klären, wurde Mitte der 90er Jahre das System der Marktverantwortlichen Verkehrsunternehmen (MVU) eingeführt. Diese grösseren Verkehrsbetriebe sind seither für die Koordination der Angebotsplanung in ihrer jeweiligen Region zuständig und in der Regel auch Konzessionär aller Linien in diesem Gebiet. Als grösster Anbieter von regionalen Buslinien in der Schweiz übernahm die Post bzw. die aus der Aufteilung des Postautodienstes in 17 Regionen entstandene PostAuto Zürich die Verantwortung für mehrere Regionen, unter anderem praktisch das ganze Knonauer Amt und Zürcher Unterland, für die Region Winterthur Land/Weinland, das obere Tösstal und die Buslinien in der Region Pfäffikon ZH.
Ähnliche Fälle mit Subunternehmern, die in ihrem eigenen Design Linien von einem MVU fahren, gibt es auch bei anderen Betrieben im ZVV. Hier drei Beispiele:
Für die SZU, die im Busgeschäft unter dem Markennamen ZimmerbergBus auftritt, fährt der Subunternehmer Bamert aus Wollerau mit Fahrzeugen im eigenen Kleid die Linie Richterswil – Samstagern.
Für die VBZ bedient der Subunternehmer Baumgartner aus Zollikon mit einem blauen Kleinbus die Quartierbuslinie 91. Gleichzeitig sind auf den Linien 91x Fahrzeuge desselben Betriebes im klassischen braun-beigen Farbschema als Autobetrieb Zürich – Zollikon – Küsnacht (AZZK) unterwegs. MVU: Auch hier die VBZ.
Der Reiseunternehmer Baumann aus Männedorf fährt für die Verkehrsbetriebe Zürichsee und Oberland (VZO) mit einem türkis-beigen Midibus Beiwagen an der Goldküste.
Mit der Einführung dieses Konzepts gingen auch die Konzessionen der oben erwähnten Linien an PostAuto über. Der auf den ersten Blick logische Schritt, die Transportunternehmer als Postauto-Unternehmer (PU) an den gelben Riesen zu binden, wurde nicht durchgeführt, unter anderem auch aufgrund der Skepsis der Gemeinden. Stattdessen wurden die Betriebe als so genannte Transportpartner integriert. Deren Vertrag ist demjenigen eines Postauto-Unternehmers sehr ähnlich, er umfasst aber einige zusätzliche Freiheiten, nicht zuletzt beim Erscheinungsbild der Fahrzeuge und des Personals. So fahren auf diesen Linien weiterhin Fahrzeuge im eigenen Design der jeweiligen Unternehmer, wenngleich in den letzten Jahren die Fahrzeuge teilweise auch über PostAuto beschafft wurden – der gegenwärtig neueste Wagen im Park dieser Transportpartner, ein MAN NL313/A20 aus 2006 vom Busbetrieb HWW, ist im Innern von einem Postauto nicht mehr zu unterscheiden.
Ausbau im Kleinen
Die Zeit blieb natürlich nicht stehen: Das Angebot wurde bei allen Betrieben ausgebaut, sei es bei Knöpfel, dessen Linie heute von Seuzach nach Andelfingen führt, in Uitikon, wo der Takt verdichtet wurde oder in Schöfflisdorf, wo der Schleiniker Bus eine zusätzliche Schlaufe durch das Ortszentrum fährt. In Eglisau wurde 2002 ebenfalls ein Ortsbus eingeführt, der von der benachbarten HWW betrieben wird – erst mit einem Kleinbus, heute ebenfalls mit «richtigen» Fahrzeugen. Auf der HWW-Stammlinie fahren in Spitzenzeiten drei Kurse pro Stunde – da die Bedienung von Wasterkingen nach der Taktverdichtung nicht mehr ohne Fahrzeugmehraufwand möglich war, fährt dort heute die Firma Taxi Schmid aus Eglisau mit einem Fiat Ducato ex. VBZ. Und Ende 2011 geht die Geschichte weiter mit neuen Wagen für HWW und Fröhlich.
Jonas Schaufelberger
Jonas Schaufelberger ist Mitgründer von ÖV Panorama und wohnt in Rapperswil-Jona. Er beschäftigt sich beruflich und in der Freizeit mit dem öffentlichen Verkehr und dokumentiert mit seiner Website www.postautohalter.info seit 2009 Fahrzeuge und Linien des "gelben Riesen". Daneben liegt sein Schwerpunkt auf dem Überland-Busverkehr in der Schweiz, wobei er (wie auch bei seinen gelegentlichen fotografischen Exkursen nach Nord- und Osteuropa) stets per ÖV oder zu Fuss unterwegs ist.